Im Graz Museum sind die kulturhistorischen Sammlungen der Stadt untergebracht. Geschichte und Gegenwart treffen hier in Form eines beispielhaften Konzeptes aufeinander. Kunst nimmt einen großen Teil der Sammlung ein, welche in ihrer Präsentation dem Betrachter viel Raum für Eigeninterpretation lässt. Geschichte möchte die Einrichtung nicht verstaubt und von der Zeit vergessen wissen, sondern unter dem Gesichtspunkt der heutigen Zeit und mit allen verfügbaren multimedialen Mitteln lebendig vermitteln und jedem zugänglich machen. Die chronologische Entwicklung der Stadt wird unter politischen, sozialen und kulturellen Aspekten beleuchtet und die Sammlung nimmt einen lebendigen Bezug zur Stadt und ihrer Bewohner.

Die Sammlung – Beinahe ein Zufallsprodukt

Die Sammlung des Graz Museum ist stetig gewachsen, bei näherer Betrachtung allerdings mehr zufällig als zielgerichtet. Geprägt durch Schenkungen und Ankäufe, die im Rahmen geplanter Sonderausstellungen getätigt wurden, baute sich eine repräsentative Sammlung von mittlerweile mehr als 100.000 Objekten der verschiedensten Sparten auf. Im Jahre 2005 wurde im Graz Museum damit begonnen, die Sammlung zu registrieren und in einer Datenbank zu verzeichnen. Dabei wurden die einzelnen Exponate in 15 unterschiedliche Sammlungen aufgeteilt. Die Sammlungsschwerpunkte liegen auf Büchern, Gemälden, Grafiken, Skulpturen, Fotografien, Ansichtskarten, Möbeln oder Musikinstrumenten.

Historische Schatzkammer – Kunst im Graz Museum

Die Kunst nimmt einen großen Raum der Sammlung des Graz Museum ein. In den Depots oder in der ständigen Ausstellung befinden sich zahlreiche Bücher aus der Zeit vor 1850, weiterhin Malereien, Grafiken, Ansichtskarten, Fotografien, Skulpturen oder dreidimensionale Objekte.

Ein unbekannter Künstler schuf im Jahre 1478 die Gerichtstafel des Stadtrichters Niclas Strobel. Die Arbeit wurde mit Öl- und Temperafarbe auf Fichtenholz gemalt und erhielt im 20. Jahrhundert eine Rahmung. Das Gemälde ist in zwei Abschnitte aufgeteilt. Während im unteren Bildteil das Jüngste Gericht abgebildet ist, liefert der obere Teil des Werkes einen guten Einblick in den Ablauf eines Gerichtstages im späten Mittelalter. Das Gericht kommt unter freiem Himmel zusammen. Im Vordergrund wird einer Zeugin vom mit Stab und Schwert ausgestatteten Gerichtsdiener der Schwur abgenommen. Der Stadtrichter wird von Laienrichtern unterstützt. Niclas Strobel selbst hatte diese Art der Gerichtsbarkeit damals gestiftet. Die Sammlung des Graz Museums wird durch dieses Werk bereichert, denn es sind nur vier Darstellungen dieses Gerechtigkeitsbildes weltweit erhalten.

Brücken waren das Lieblingsthema des Grazer Künstlers Conrad Kreuzer. Mit dem Werk “Die neuerbaute Kettenbrücke der Hauptstadt Graz. Ansicht vom Schlossberg gegen Westen” wird das Schaffen des Sohns eines Beamten, der sich größtenteils das Zeichnen autodidaktisch beibrachte, in der Dauerausstellung des Graz Museum gewürdigt. Den technischen Fortschritt in seiner Heimatstadt hat Conrad Kreuzer 1836 zu Papier gebracht. Bei näherer Betrachtung der Temperamalerei wird deutlich, wie der Künstler in seinen frühen Schaffensperioden arbeitete, er wählte für seine Kunstwerke so kleine Formate, dass er für die Arbeit eine Lupe zu Hilfe nehmen musste. Die “Kaiser-Ferdinand-Kettenbrücke” hatte es dem Künstler anscheinend ganz besonders angetan, denn ab 1836 bezog Kreuzer Quartier im zur Lendseite gewandten Brückenkopfgebäude.

Die Begegnung mit der Kunst im Graz Museum macht auch mit einer ganzen Reihe an Skulpturen vertraut. Eine davon wurde im Jahre 1788 von Georg Rungaldier geschaffen und trägt die Bezeichnung “Immaculata”. Die Skulptur diente einst als Bekrönung der Fahnenstange der Lebzelterinnung, deren Mitglieder zu den wohlhabendsten Grazer Bürgern zählten. Abgebildet wurde Maria, welche auf einem Bienenkorb steht und ihren Fuß auf einer Schlange ruhen lässt. Der Lilienzweig soll die Reinheit symbolisieren und zugleich das Selbstbewusstsein der Innung nach Außen tragen.

Fundgrube der Erinnerung – Der Krebsenkeller

Im ältesten Wirtshaus der Stadt wird nicht nur seit Generationen geschlemmt, hier ist auch ein beachtliches Refugium an Kunst entstanden. Besonders im 20. Jahrhundert gingen hier zahlreiche Persönlichkeiten des Grazer Lebens ein und aus und es kamen Bürger aller Schichten zusammen. Unter dem Stammpublikum befanden sich auch Portraitmaler wie Robert Voit oder Franz Thür. Was lag näher, als zum Stift zu greifen und die Stimmung im Krebsenkeller einzufangen. Es entstand eine große Zahl an Portraits der Gäste. Die meisten Darstellungen stammen von Robert Voit und entstanden in den 1930er bis 1950er Jahren. Franz Thür portraitierte noch in den 1970er Jahren die Besucher des Traditionslokals.

Kürzlich erwarb das Graz Museum 218 dieser Portraits. Die Arbeiten sollen nicht nur die Sammlung bereichern, sondern auch Fragen beantworten, denn von Interesse ist: Wer sind die Menschen, die sich im Krebsenkeller aufhielten? Die Grazer selbst sind nun gefragt, denn das Graz Museum möchte mit seiner Bilderschau “Krebsenkeller” dazu einladen, Erinnerungen zu wecken und weiterzugeben. Wer die Portraitierten zu erkennen glaubt, der kann sein Wissen ganz unkonventionell mitteilen und direkt an die Wand schreiben. Kulturvermittler stehen auf Wunsch für den direkten Gedanken- und Meinungsaustausch zur Verfügung.

Museum Graz
Blick in die Ausstellung 360 Graz. /// Foto: Graz Museum, Credit: Wolfgang Thaler

360 Graz: Die Stadt von allen Zeiten – Die Dauerausstellung

Geschichte einmal anders, so ließe sich die Dauerausstellung des Graz Museum wohl am besten beschreiben. Historie einer strengen Ordnung folgen zu lassen, liegt dem Museum fern. Stattdessen will man Geschichte vom Kopf auf die Füße stellen, Historie drehen, wenden und wieder neu zusammensetzen. Die Sammlung bietet dafür die ideale Grundlage und wird eigenwillig und unkonventionell präsentiert. So findet sich so manches Gemälde nicht an den Wänden, sondern auf dem Fußboden stehend wieder. Es sollen keine geschlossenen Zusammenhänge verdeutlicht werden, viel mehr sollen „Schlüsselobjekte“ zu Möglichkeiten der Inspiration und Interpretation ermuntern. Der Besucher soll sich nicht durch die Sammlung treiben lassen, er soll selbst die Regie übernehmen und die Stadt dabei vielleicht auch ein Stück weit mit anderen Augen sehen.

In der Dauerausstellung werden vier Hauptthemen zusammengefasst. Der Bogen spannt sich von der Stadtgründung bis in die Gegenwart. In den beiden Längsschnittthemen wird der Gestalt der Stadt und dem Stadtbürgerlichen Projekt nachgegangen. Beleuchtet wird die Stadtgeschichte auch unter den Aspekten „Das Eigene und das Fremde“ und „Die feinen Unterschiede“. Die Dauerausstellung umfasst etwa 115 Exponate, welche in ihrer Präsentation von herkömmlichen Stadtmuseen abweichen. Besonders anhand der Gemälde wird deutlich, dass hier nicht nur eine Bildinformation vermittelt werden will, sondern die Besucher die Kunst auch als Körper im Raum begreifen sollen.

Die Geschichte des Graz Museum – Auf Wanderschaft und angekommen

Die Gründung des Graz Museum fällt auf die 800-Jahr-Feier der Stadt im Jahre 1928. Die Museumsgründung wurde von der Grazer Stadtverwaltung, dem Museum Joanneum, dem Landesarchiv der Steiermark, der Technischen Universität und der Karl-Franzens-Universität auf den Weg gebracht. Die Sammlung befand sich jedoch zunächst nicht im Blickwinkel der Öffentlichkeit, sondern verpackt in Depots und im Rathaus der Stadt, denn es fehlte an Ausstellungsräumen. Zehn Jahre vergingen, bis die Sammlung erstmals im Palais Attems gezeigt werden konnte. Zwischen 1951 und 1969 war das Graz Museum als Teil des Landesmuseums Joanneum im Schloss Eggenberg untergebracht.

Mehr als 40 Jahre fehlte es an geeigneten Räumlichkeiten, um die Exponate ansprechend zu präsentieren. Seit 1972 ist die Sammlung nun im Palais Khuenburg in der Grazer Sackgasse untergebracht. In den 1990er Jahren wurde die Ausstellung umfassend modernisiert und der Grundstein für das moderne Museumskonzept der Gegenwart gelegt. Die Dauerausstellung 360 Graz die Stadt von allen Zeiten wurde im Jahre 2014 für den Europäische Museumspreis vorgeschlagen.

Keine Sackgasse – Der Ausstellungsort

Lange war nach einem würdigen Ausstellungsort für das Graz Museum gesucht worden. Mit dem Palais Khuenburg führte der Weg nur buchstäblich in die Sackgasse. In dem Barockbau in der Grazer Innenstadt fand die Sammlung seit den 1970er Jahren ihr Zuhause und das Graz Museum konnte sich zu einem international viel beachteten Ausstellungshaus etablieren. Das Palais Khuenburg wurde im Jahre 1564 als barockes Stadthaus erbaut. Im Mittelalter zählte der Bau zum Reinerhof, dem ältesten Gebäude der Stadt. Graf Gandolf von Khuenburg gestaltete das Bauwerk Ende des 17. Jahrhunderts zum Adelspalais um. 1863 kam im Palais Franz Ferdinand von Österreich-Este zur Welt. Der Tod des österreichischen Thronfolgers am 28. Juni 1914 ging als Attentat von Sarajevo und Auslöser des Ersten Weltkrieges in die Geschichte ein.

1918 wurde das Palais Khuenburg nach mehreren Besitzerwechseln Eigentum der Stadt Graz. Ein Abbruch des in den 1960er Jahren stark verfallenen Gebäudes konnte abgewendet werden und nach der Generalsanierung wurde das Bauwerk zum Museumsstandort. Nicht nur das Graz Museum kann hier besucht werden, im Innenhof öffnet auch das Apothekenmuseum seine Pforten.


Informationen über das Graz Museum

Öffnungszeiten:

Montag:10:00 -17:00 Uhr
Dienstag: Geschlossen
Mittwoch – Sonntag: 10:00 – 17:00 Uhr

Eintrittspreise:

Erwachsene: 5.00 Euro
Ermäßigt: 3.00 Euro
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: Kostenlos

Adresse:

Graz Museum
Sackstraße 18
8010 Graz

Telefon: +43 316 872 76 00
E-Mail: grazmuseum@stadt.graz.at
Webseite: www.grazmuseum.at


Titelbild: Postkarte „Schloßberg, Zukunftsbild“ /// Foto: GrazMuseum

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