Edward Hopper – Stil und Motive

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Edward Hopper (1882-1967) gilt als einer der wichtigsten Vertreter der US-amerikanischen Malerei. Sein Werk wird der Neuen Sachlichkeit, dem Amerikanischen Realismus und ebenso dem späten Impressionismus zugeordnet. Tatsächlich sah sich Hopper zeitlebens als Impressionist, beeinflusst vom impressionistischen Umgang mit Licht, von impressionistischer Sinnlichkeit und Harmonie. So ist ein entscheidendes Element von Hoppers Landschaftsbilder das Sonnenlicht. 1906 reiste Hopper nach Europa, hielt sich eine längere Zeit in Paris auf und besuchte außerdem Amsterdam, London und Berlin. Besonders beeindruckt zeigte er sich von der französischen Hauptstadt, in deren Schönheit, Kunst und Kultur er sich regelrecht verliebte. Besonders die französischen Impressionisten hatten es ihm angetan und er studierte die Werke von Manet, Monet, Renoir, Sisley oder Pissarro ausgiebig, malte nach dem Vorbild seiner Idole sogar im Freien. Auch von Edgar Degas ließ sich Edward Hopper inspirieren. Vor allem dessen exakte Linienführung, seine ungewöhnlichen Perspektiven und seine Art der Bildkomposition, die klar strukturiert war, faszinierten den amerikanischen Künstler. Ab den 1920er Jahren zeigt sich dieses Vorbild verstärkt in Hoppers Gemälden.

Wie die Impressionisten erschuf Edward Hopper Straßenszenen und zeigte so sein Interesse für die Verbindung von Architektur und Natur, von Licht und lichten Farben. Betrachtet man Hoppers Gemälde „Bridge on the Seine“ von 1909 sind diese impressionistischen Einflüsse deutlich zu erkennen. Augenscheinlich wird aber bereits in diesem Werk Edwards Hoppers Tendenz zum Realismus und dessen Wirklichkeitsnähe. Eines nämlich wird dem amerikanischen Künstler während seines Europaaufenthaltes auch klar – mit der ungegenständlichen Kunst der Avantgarde kann er nichts anfangen. Und so wandte er sich dem Realismus zu, der sich als Gegenströmung zu den abstrakten und expressionistischen Tendenzen in der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts zu entwickeln begann. Noch 1939 schrieb Edward Hopper in einem Brief, dass ihn „Bilder, die auf farbliche oder kompositorischen Harmonien oder Dissonanzen reduziert sind“ abstoßen.

Vom Amerikanischen Realismus und der Neuen Sachlichkeit geprägt, zeigte Hopper dementsprechend in seinen Gemälden wirklichkeitsnahe Abbildungen. Nach seiner Rückkehr in die USA, zeigen die Bilder den typisch amerikanischen Lebensstils. Seine Werke halten nicht nur in fast fotografischer Genauigkeit die Wirklichkeit fest, sondern spiegeln zugleich auch die Stimmung und Atmosphäre. Edward Hoppers Zeit war geprägt von zwei Weltkriegen und der Weltwirtschaftskrise. Viele seiner Bilder sind Spiegel der trostlosen Stimmung jener Ära.

Hopper hatte bei dem bekannten amerikanischen Künstler Robert Henri studiert. Dieser gründete 1908 die sozial – und gesellschaftskritische Künstlergruppe Ashcan School. Diese widmete sich hauptsächlich einer Darstellung des alltäglichen Großstadtmilieus. Der Einfluss dieser Gruppierung auf Edward Hopper zeigt sich darin, dass auch er das Leben der einfachen Leute in einem urbanen Umfeld in seiner Malerei thematisierte.

Viele von Hoppers Gemälde zeigen entweder die weite, stille Landschaft der amerikanischen Provinz oder aber das Leben in der Großstadt. So unterschiedlich diese Motive auf dem ersten Blick auch sind, so ist ihnen doch eines gemein: sie strahlen stets eine Atmosphäre der Einsamkeit und Isolierung aus. Betont wird diese Stimmung der Verlassenheit oft durch ein einzelnes Haus, dass inmitten der unendlichen, unbegrenzten Landschaft liegt oder wie in dem Gemälde „Gas“ (1940) durch eine Tankstelle, die scheinbar mitten im Nirgendwo des ländlichen Amerikas liegt, weit entfernt von jeglicher Zivilisation. Die Tankstelle scheint deren letzter Außenposten zu sein. Ein Mann, der Tankwart, steht alleine an den Zapfsäulen, umgeben nur von einem dichten Wald und einer Landstraße, die ins dunkle Nirgendwo führt. Außergewöhnlich ist unser Standpunkt als Betrachter, scheinen wir uns dem Mann und der Tankstelle doch in einem Auto zu nähern. Obwohl wir ja vor dem Gemälde stehen und es betrachten, sind wir so zugleich auch Teil des Bildes selbst. Der Tankwart wirkt einsam und isoliert. Bald wird er wieder allein sein. Unsere Fahrt geht weiter. Auch in Hoppers bekanntestem Gemälde „Nighthawks“ lässt sich diese Situation der Isolation und Einsamkeit deutlich nachempfinden.

„Nighthawks“ – Edward Hoppers berühmtestes Werk

Das Ölgemälde „Nighthawks“ entstand 1942. Hopper soll die Arbeit an seinem Hauptwerk kurz nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor im Dezember 1941 und dem darauffolgenden Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg begonnen haben. Der Maler sagte einmal, dass große Kunst „der äußere Ausdruck eines inneren Lebens im Künstler“ sei und so scheint auch „Nighthawks“ deutlich zu machen, was in seinem Schöpfer vor sich ging. Die Trostlosigkeit der Zeit und der düstere Blick in eine ungewissen Zukunft spiegeln sich in dem Gemälde wieder.

„Nighthawks“ hängt bereits seit seiner Entstehung im Art Institute of Chicago.

Der Betrachter blickt auf eine nächtliche Großstadtszene. Drei Nachtschwärmer (so auch der deutsche Titel des Gemäldes) sitzen am langen Holztresen eines Diners, ein Kellner steht hinter der Theke. Er beugt sich gerade leicht nach unten, seine Hände verschwinden unter der Theke. Sein Blick richtet sich vielleicht auf seinen Gast oder hinaus auf die menschenleere, dunkle Straße. Die Gäste gehören nicht zusammen. Ein Paar sitzt an der Schmalseite des Tresens, ein einzelner Mann, in Rückenansicht zu uns und damit anonym, an der Längsseite. Müde scheint sein Rücken gebeugt zu sein. Sein Gesicht, so mag man vermuten, verschwindet im Schatten seines Hutes, der Kopf ist leicht gebeugt, vielleicht richtet sich sein Blick auf das Glas in seiner Hand. Er strahlt Einsamkeit aus, wirkt isoliert und in sich gekehrt, gleichzeitig aber auch mysteriös – was mag ihn dorthin getrieben haben zu dieser späten Stunde?

Es gibt keinerlei Verbundenheit zwischen ihm und den anderen Gästen und auch nicht zum Kellner in seiner weißen Uniform. Ebenso fragt man sich, was das Paar zu dieser Zeit in diesem Diner macht. Die Frau ist ein Farbklecks in der Nacht und in dem Neonlicht des Diners. Ihr Kleid ist leuchtend rot, ebenso ihr Haar und ihre blasse Haut setzt sich auffällig ab vom anzugbekleideten Ärmel des Mannes neben ihr. Die Hände von Mann und Frau liegen nebeneinander und berühren sich aber nur fast. Er hält eine Zigarette und sie in ihrer anderen Hand einen nicht zu definierenden Gegenstand. Ihr Blick ist darauf gerichtet. Sein Blick dagegen geht ins Leere. Sprachlosigkeit hat sich breit gemacht.

Seit er mit seiner Frau Josephine Nivison zusammen war, verewigte Hopper sie in zahlreichen seiner Werke. Sie war nicht nur seine Muse, sondern auch sein Lieblingsmodell. Auch für die Frau in Rot stand sie Modell. Der Künstler selbst ist in dem stillen Mann mit der Hakennase (ähnlich dem Schnabel eines Falken) neben ihr zu erkennen.

Das Licht des Diners wird aus den großen Glasfenstern hinaus auf die Straße geworfen und beleuchtet so sogar die Registrierkasse im Schaufenster des gegenüberliegenden Gebäudes. Wie ein Schiffsbug ragt die Architektur des Diners vom rechten Bildrand aus herein in das Gemälde und dominiert es. Es wirkt wie eine Vitrine, in der die Nachtschwärmer ausgestellt werden. Unser Blick fällt wie der eines Voyeurs auf sie und sie haben keine Ahnung davon, dass sie sich hier so präsentieren.

Inspiration für das Phillies, das Diner auf dem Gemälde, fand Edward Hopper in seiner Nachbarschaft, an einer Straßenkreuzung der New Yorker Greenwich Avenue. Das Restaurant, an dem er sich im realen Leben orientierte, soll aber tatsächlich nie gefunden worden sein. Er hatte das Restaurant für „Nighthawks“ auch so weit anonymisiert, dass es überall in Amerika zu finden sein könnte. Tatsächlich scheinen Hoppers Werke allgemein weder zeit- noch ortsgebunden zu sein.

Edward Hopper und der Film

„Nighthawks“ wirkt gerade durch Edward Hoppers speziellen Einsatz von Licht wie eine Szene herausgeschnitten aus einem Film. Die Männer in Anzügen und mit Hut könnten auch Gangster sein, die in den Großstädten der USA zu dieser Zeit ihr Unwesen trieben. „Nighthawks“ wäre somit eine Szene aus einem Film Noir, in dem Verbrechen und Gewalt im Zentrum stehen.

Tatsächlich ist der Einfluss des Kinos auf den leidenschaftlichen Kinogänger Hopper enorm. Immer wenn er keine Inspiration zum Malen fand oder auf der Suche nach Motiven war, soll er ins Kino gegangen sein.

Aber auch Edward Hoppers Einfluss auf das Kino ist unbestritten. Seine Werke dienten nämlich als Inspiration für zahlreiche Filmemacher. So nahm sich etwa Alfred Hitchcock Hoppers Werk „House by the Railroad“ von 1925 zum Vorbild und erschuf nach Ebenbild dieses Hause das Schreckenshaus in seinem Film „Psycho“.

In den Filmen und auch Fotografien des deutschen Regisseurs Wim Wenders ist die Nähe zu Edward Hopper ebenfalls klar zu erkennen. Wenders großformatige Fotografien des amerikanischen Westens erinnern stark an die unbegrenzten Landschaften, die Hopper darstellte. Und sein Bild „Street Corner Butte, Montana“ von 2003 wirkt fast identisch mit „Nighthawks“, nur dass bei Wenders‘ Fotografie die Nachtschwärmer fehlen.

Hoppers Entwicklung vom Illustrator zum Maler

Edward Hopper wurde in Nyack geboren und wuchs in der idyllischen Kleinstadt am Hudson River gelegen auf. Heute ist sein Wohnhaus zu besichtigen, im Edward Hopper House Art Center, finden heute wechselnde Ausstellungen von örtlichen Künstlern statt. Hopper hegte von klein auf den Wunsch, Maler zu werden. Als Kind zeichnete er leidenschaftlich gerne die Boote auf dem nahen Fluss. Ab 1900 studierte er Illustration und Malerei an der New York School of Arts.

Obwohl er sich immer mehr als Maler sah, verdiente Hopper 1905 sein erstes Geld als Illustrator für verschiedene Werbeagenturen. Der Erfolg als Maler wollte sich zunächst nicht einstellen. Auch nach seinem Aufenthalt in Europa, musste er wieder als Illustrator tätig werden. Für seine Malerei waren diesen Jahre dennoch sehr lehrreich. Hopper lernte wie in der Malerei mit wenigen Mitteln atmosphärische Wirkung erzielen werden kann. Ab 1908 lebte Edward Hopper in New York City und bekam nach und nach immer mehr Anerkennung für seine Radierungen und Druckgrafiken, die auch in Ausstellungen gezeigt wurden. Als Motive wählte nächtliche Großstadtszenen, einsame Häuser, Eisenbahnen oder Segelschiffe. Ab 1928 stellte er keine Druckgrafiken mehr her.

In den 1920er Jahren gelang Hopper schließlich der Durchbruch als Maler. Ab dieser Zeit entstanden auch die Bilder, für die Edward Hopper heute bekannt ist und deren Stil so unverkennbar ist. Einen großen Anteil an Hoppers Berühmtheit trägt seine Frau Josephine. Sie selbst war ebenfalls eine bekannte Künstlerin und Schauspielerin. Als sie 1923 einige ihrer Aquarelle in einer Gruppenausstellung zeigen sollte, überredete sie den Kurator, ebenfalls ein paar Werke ihres Mannes in der Ausstellung aufzunehmen. Diese Ausstellung amerikanischer und europäischer Künstler fand im Brooklyn Museum of Art statt und das Museum selbst kaufte schließlich als erste Institution ein Werk von Edward Hopper. Damit war seine Karriere als Maler lanciert.

Wirtschaftlichen Erfolg konnte Hopper allerdings erst rund sieben Jahre später verbuchen, als auch das New Yorker Museum of Modern Art eines seiner Bilder („House by the Railroad“) erstand und das Whitney Museum of American Art ein Jahr später ebenfalls den Maler für sich entdeckte und eines seiner Gemälde kaufte. Damit legte es den Grundstein für seine weltberühmte Hopper-Sammlung. Nach seinem Tod 1967 und dem seiner Frau im folgenden Jahr, fiel ihr privater Nachlass an Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen und Grafiken dem Whitney Museum of Art zu.

Ausstellungen

Edward Hoppers Werke sind gern gesehene Gäste in Museen und Galerien weltweit. Eine umfassende Retrospektive des amerikanischen Malers fand 2008 im Kölner Museum Ludwig statt. Die Schau war von besonderem Interesse, da die meisten von Hoppers Gemälden tatsächlich im Besitz von Museen in den USA und deswegen nur selten derart geballt in Europa zu sehen sind. Vor Köln war diese Hopper-Retrospektive in der Londoner Tate Gallery zu sehen und bewies sich als wahrer Publikumsmagnet.

2012/2013 wurden Hoppers Werke dann mit großem Erfolg im Grand Palais in Paris ausgestellt. Für den amerikanischen Maler, der Paris so sehr liebte, wäre das bestimmt eine wahre Auszeichnung gewesen.

2020 widmet die Fondation Beyeler in Basel dem Maler Edward Hopper ihre große Frühjahrsausstellung.

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