Kunstmuseum Bern

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Das Kunstmuseum Bern gilt nicht nur als das erste und somit zugleich auch älteste Kunstmuseum in der Schweiz mit einer Dauerausstellung, sondern hat sich darüber hinaus vor allem mit seinen Exponaten der sogenannten Klassischen Moderne internationales Renommee erworben. Das Museum beherbergt über 3000 Gemälde und Skulpturen sowie etwa 48 000 Zeichnungen, Druckgraphiken, fotografische Kunstwerke, Videoinstallationen und Filmmaterial. Die Sammlung des Kunstmuseums spannt den Bogen vom italienischen Spätmittelalter bis zur unmittelbaren Gegenwart und entwirft somit ein spannungsgeladenes und interessantes Schaubild der Kunstgeschichte. In seiner langjährigen Geschichte erfuhr das Kunstmuseum Bern mehrere An- und Umbauten. Ein neuerlicher Umbau, der die Ausstellungsfläche nochmals um 600 m² erweitern wird, ist ab 2018 eingeplant und soll der Gegenwartskunst weiteren Raum geben. Zahlreiche Stiftungen und Legate führen neben gezielten Zukäufen dazu, dass die Sammlung stetig erweitert wird und sich international bedeutsame Schwerpunkte herausbilden. So zeigt das Museum in Bern beispielsweise mit dem künstlerischen Nachlass von Adolf Wölfli einen herausragenden Vertreter der sogenannten Outsider-Kunst. Kunsthistorische Entwicklungen vom Impressionismus des späten 19. Jahrhunderts bis hin zur modernen Kunst eines Mark Rothko oder Jackson Pollock lassen sich im Kunstmuseum Bern fast ausnahmslos anhand ausgesuchter Meisterwerke nachvollziehen. In seinen Wechselausstellungen setzt sich das Kunstmuseum Bern mit aktuellen künstlerischen und gesellschaftlichen Strömungen kritisch auseinander und fördert mithilfe der gezeigten Kunst die Reflexion zeitgeschichtlicher Phänomene und Entwicklungslinien. Das Kunstmuseum erweist sich nicht nur als eines der größten, sondern zählt neben dem Kunsthaus Zürich und dem Kunstmuseum Basel zu den bedeutendsten Kunstmuseen der Schweiz.

Spannungsbogen vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart

Die Sammlung des Kunstmuseums Bern reicht von Meisterwerken des italienischen Trecento bis hin zur unmittelbaren Gegenwartskunst und gestattet den Besuchern somit einen lehrreichen und spannungsvollen Ein- und Überblick über wichtige Eckpunkte der Kunstgeschichte.

In der Schweiz einzigartig ist die Werkgruppe italienischer Künstler des Trecento und Quattrocento. Besonders ein Werk ragt aus dieser Gruppe heraus, die Maestà (um 1290-1295) von Duccio di Buoninsegna (1250/60 – 1318/19). Duccio war neben Cimabue (ca. 1240 – ca. 1302) und Giotto (1266 – 1337) einer der herausragenden Maler des italienischen Spätmittelalters an der bahnbrechenden Schwelle zur Renaissance. Während sein Zeitgenosse Giotto als entscheidender Wegbereiter des italienischen Rinascimentos gilt, lassen sich auch in Duccios Œuvre bereits erste Ansätze und Spuren dieser epochal neuen Art zu malen entdecken. Die Berner Maestà ist ein gutes Beispiel hierfür. Wohl als kleines privates Andachtsbild in Auftrag gegeben, lassen sich die Übergänge von spätmittelalterlicher zu neuzeitlicher Kunst hier bereits erahnen. Im Mittelpunkt des Gemäldes steht bzw. thront die Madonna mit dem Jesuskind im Arm. Umrahmt wird sie auf beiden Seiten von je drei Engeln. Ihr architektonisch raffiniert gestalteter Thron ist mit rotem Brokat ausgekleidet, der sich von der goldfarbenen Umgebung abhebt. Die Flächenhaftigkeit des Bildes verweist ebenso wie der Typus der Madonna und der Faltenwurf ihres Gewandes auf die damals übliche byzantinische Malerei. In der Gestaltung der Engel jedoch weicht Duccio von starren Vorlagen ab und verleiht ihnen durch feinste Farbabstimmungen sowohl individuell anmutende Züge als auch Plastizität und somit die Illusion räumlicher Tiefe.

Ein weiterer Schwerpunkt der Sammlung ist sicherlich die Berner Malerei, die mit herausragenden Stücken epochenübergreifend von der Spätgotik bis hin zum Realismus des 19. Jahrhunderts im Museum vertreten ist. Die Werkschau reicht hierbei von Niklaus Manuel Deutsch, einem der bedeutendsten Schweizer Renaissancemaler, über den Barockmaler Joseph Werner bis hin zu Albert Anker, der im 19. Jahrhundert hauptsächlich durch seine in der europäischen Malerei dieser Zeit einzigartigen Kinderdarstellungen bekannt wurde. In seinen Kinderbildnissen nehmen die pädagogischen Ideen eines Jean-Jaques Rousseau und eines Johann Heinrich Pestalozzi Gestalt an: Bildung und Individualität stehen bei aller spielerischen Umgebung im Vordergrund der Gemälde. Von Anker, dessen Engagement maßgeblich für die Errichtung des Berner Kunstmuseums war, besitzt das Museum die bedeutendste Werkgruppe überhaupt.

Auch im Bereich der Druckgraphiken und Handzeichnungen sind Berner Kleinmeister vor allem des 18. Jahrhunderts in großer Zahl vertreten. Ihre kleinformatigen Landschaftsansichten trugen dazu bei, das Berner Oberland sowie weite Teile der Schweiz touristisch bekannt zu machen. Daneben finden sich allerdings auch herausragende Zeichnungen des 16. und 17. Jahrhundert aus der Hand solch bedeutender Künstler wie Albrecht Dürer, Hans Burgkmair d. Ä., Hans Baldung Grien, Jaques Callot, Antonis van Dyck oder Rembrandt van Rijn im Berner Museum.

Selbstverständlich sind Schweizer Künstler auch jenseits der Berner Stadtgrenze in der Sammlung mit wichtigen Werkstücken aus allen Schaffensperioden präsent. Beginnend mit Ferdinand Hodler, dem führenden Vertreter des Symbolismus in der Schweiz, über die Post-Impressionisten um Cuno Amiet und Giovanni Giacometti führt der Spannungsbogen zu Paul Klee, dessen umfangreiches Werk sich einer einseitigen Zuordnung entzieht. Expressionismus, Konstruktivismus, Kubismus, Surrealismus, enge Kontakte zum Blauen Reiter und zum Bauhaus – Paul Klees Schaffen spiegelt die zentralen Strömungen der Klassischen Moderne in herausragender Art und Weise wider. Mit Gründung der Klee-Gesellschaft gelang es, den Nachlass dieses außerordentlichen Künstlers nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Bern zu versammeln. Im Berner Kunstmuseum sind auch nach dem Umzug der Paul-Klee-Stiftung in das Zentrum Paul Klee weiterhin hervorragende Werke unterschiedlichster Schaffensperioden des Künstlers zu bewundern.

Einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung und Präsentation sogenannter Outsider-Kunst, also Kunstschaffender, die sich aufgrund psychischer oder geistiger Einschränkungen des Wertes ihres künstlerischen Schaffens nicht bewusst sind, leistet das Berner Kunstmuseum mit der Präsentation der Werke von Adolf Wölfli (1864 – 1930). In ärmlichsten Verhältnissen geboren und aufgewachsen musste sich Wölfli bereits in sehr jungen Jahren seinen Lebensunterhalt selbst verdienen, indem er als Verdingbub bei verschiedensten Bauernfamilien schuftete. Nachdem er sexuell auffällig und wiederholt straffällig geworden war, wurde ihm bei einer psychiatrischen Untersuchung Schizophrenie attestiert. Seit 1895 bis zu seinem Tod lebte Wölfli in einer Nervenheilanstalt, in der auch sein umfangreiches Werk aus etwa 1400 Zeichnungen und über 1500 Collagen sowie unzähligen Erzählungen, Gedichten und Musikkompositionen entstand. Die wissenschaftliche Aufarbeitung seines Schaffens und die Präsentation seiner Werke im Kunstmuseum Bern leisten einen wichtigen Beitrag zur kritischen und zugleich ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Œuvre eines der Hauptvertreter der Outsider-Kunst oder Art brut.

Der außerordentlich starke Gegenwartsbezug des Berner Kunstmuseums lässt sich auch darin erkennen, dass umfangreiche und bedeutsame Konvolute internationaler Gegenwartskunst, wie beispielsweise die Sammlung Toni Gerber, in entsprechendem Rahmen präsentiert werden. In dieser Sammlung sind unter anderem zusammenhängende Zeichnungsfolgen des Aktions- und Objektkünstlers Dieter Roth (1930 – 1998), Werke von Markus Raetz, die die Wahrnehmung des Betrachters herausfordern, oder Werkgruppen der amerikanischen Video- und Performancekünstlerin Joan Jonas und von Sigmar Polke (1941 – 2010) enthalten. Die starke Vernetzung des Berner Kunstmuseums zur Gegenwartskunst lässt sich auch in der Installation Die Subjektivierung der Wiederholung, Projekt B des 1970 geborenen Schweizer Computerkünstlers Yves Netzhammer erkennen.

Das erste Kunstmuseum der Schweiz

Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde durch Ankäufe von der Höheren Zeichnungsschule sowie ab 1813 durch die neugegründete Bernische Kunstgesellschaft der Grundstein für die spätere Sammlung des Kunstmuseums Bern gelegt. Das Legat des Architekten Gottlieb Hebler ermöglichte schließlich ab 1876 den Bau des Kunstmuseums, für das sich auch der Berner Maler Albert Anker stark engagiert hatte. Dieser nach seinem Architekten Eugen Stettler benannte Stettler-Bau erfuhr 1932 durch die Errichtung eines Erweiterungsbaus durch die Architekten Indermühle und Salvisberg eine erste Umbaumaßnahme. 1983 schloss sich mit dem Atelier 5 der zweite Erweiterungsbau an.

Die Sammlung Cornelius Gurlitt

Der 7. Mai 2014 geht als sehr bedeutsamer, zugleich jedoch rechtlich und ethisch hoch problematischen Tag in die Geschichte des Kunstmuseums Bern ein. Nach dem Tod des Münchner Kunstsammlers Cornelius Gurlitt wurde das Berner Kunstmuseum testamentarisch zur Alleinerbin der umfangreichen Sammlung des Verstorbenen ernannt. Die Sammlung, die Gurlitt von seinem Vater Hildebrand Gurlitt geerbt hatte, besteht aus über 1500 Werken, die zum Großteil entweder als verschollen galten oder gar bis zu ihrer Entdeckung kunsthistorisch unbekannt geblieben waren wie beispielsweise ein Werk Marc Chagalls. An den Fund und die Beschlagnahmung der Privatsammlung durch die Staatsanwaltschaft schlossen sich rasch Fragen nach der Herkunft der Gemälde an, sodass bei etwa 500 Werken das Schlagwort „Raubkunst“ im Raum stand. Dies ließ sich bis dato jedoch lediglich bei einem verschwindend geringen Teil des Konvoluts als Tatsache bestätigen. Das Museum Bern, das bis zum Tod des Kunstsammlers in keinem besonderen Verhältnis zu Cornelius Gurlitt gestanden hatte, zeigte sich von dem Erbe überrascht, trat dieses jedoch nach einiger Bedenkzeit auch eingedenk der schwierigen Begleitumstände an. Ein verantwortungsvoller und kritischer Umgang mit diesem Erbe ist für das Kunstmuseum Bern in Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden von entscheidender Bedeutung. Da Teile der Familie Gurlitt juristisch gegen das Testament vorgingen und eine letztinstanzliche Entscheidung noch aussteht, hat die Forschungsstelle am Kunstmuseum Bern ihre Arbeit allerdings noch nicht aufnehmen können.


Informationen über das Kunstmuseum Bern

Öffnungszeiten:
Montag: Geschlossen
Dienstag: 10:00-21:00 Uhr
Mittwoch – Sonntag: 10:00-17:00 Uhr

Eintrittspreis Sonderausstellung & Sammlung:
Erwachsene: CHF 26.00
AHV-, IV-Bezüger, Militär: CHF 20.00
Studierende & Lernende: CHF 12.00
Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre: CHF 7:00

Eintrittspreise Sonderausstellung:
Erwachsene: CHF 24.00
Studenten, Personen in Ausbildung, AHV & IV-Bezüger: CHF 20.00
Studierende & Lernende: CHF 12.00
Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre: CHF 7:00

Eintrittspreis Sammlung:
Erwachsene: CHF 7.00
Reduziert: CHF 5.00

Adresse:
Kunstmuseum Bern
Hodlerstrasse 8 – 12
3000 Bern Telefon:
+41 (0)31 328 09 44
E-Mail: info@kunstmuseumbern.ch
Webseite: www.kunstmuseumbern.ch

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