Blumenaquarelle haben in der jüngeren Kunstgeschichte keine so starke Bedeutung erlangt wie andere Kunstwerke oder Kunststile. Eine Nischenkunst bleibt sie deshalb nicht. Blumengemälde fallen in die Kategorie des Stilllebens – und diese Kunstwerke haben durch die Jahrhunderte immer ihre Liebhaber gefunden. Bereits in der Antike hatten Stillleben mit Blumen, Früchten und Vasen eine Tradition. Spätestens seit dem Barock waren Stillleben eine eigene Kunstgattung. Ihre Blütezeit hatten die Stillleben und insbesondere die Blumenmalerei im 17. und 18. Jahrhundert.
Zu den auf Blumen spezialisierten Malern dieses Genres gehörte auch der französische Aquarellist Pierre-Joseph Redouté. Geboren im Jahr 1759 im belgischen St. Hubert, starb er 1840 als erfolgreicher Maler in Paris. Unter anderem dienen die botanischen Tafeln aus der Blütezeit dieser Kunstrichtung den modernen Biologen noch heute als Studienobjekt für bereits ausgestorbene Pflanzenarten oder die Sortenvielfalt, die es damals gab. Außerdem begeistern sie weiterhin die Liebhaber von Blumen und künstlerischen Stillleben.
Pierre-Joseph Redoutés – Der Weg zum Blumenmaler
Dass man Pierre-Joseph Redouté mit dem klangvollen Beinamen Raffael der Blumen gekürt hat, mag eine Auszeichnung sein. Doch solche Vergleiche hinken bekanntermaßen. Was gemeint ist, ist vermutlich die Art, wie Redouté seine Bildertafeln angelegt hat. Außerdem gab es einige lebensgeschichtliche Parallelen im Leben beider Maler. Pierre-Joseph Redouté wurde – zusammen mit anderen Künstlern seiner Zeit – zum Vorreiter einer ganzen Generation von Blumenmalern, die sich dem Aquarell verschrieben. Der Künstler gilt heutzutage als Mitbegründer der botanischen Blumenmalerei.
Pierre-Joseph Redouté Vater war als Dekorationsmaler und Raumausstatter tätig. Er hatte eine feste Arbeit in der Abtei von St. Hubert, wo die Familie von Pierre-Joseph Redouté lebte. Dort weihte einer der Mönche den kleinen Jungen in die Geheimnisse der Botanik ein. Mönche in Klöstern interessierten sich damals wie heute neben der Religion vor allem für Wild- und Arzneipflanzen, diese sammelten und trockneten sie, um daraus Medizinpräparate oder Kräuterschnäpse herzustellen. Heute ist unvorstellbar, dass sich ein dreizehnjähriger Junge ohne elterliche Begleitung aufmacht, um in diesem Alter die Welt zu erobern. Pierre-Joseph Redouté tat aber genau dies. Er wollte höher hinaus als der Vater und verdingte sich auf seiner Reise als Porträtmaler. Sein Ziel war es schon damals, die Bilder von bestimmten Malern zu studieren, die sich der Blumenmalerei verschrieben hatten.
Der junge Pierre-Joseph Redouté reiste zuerst nach Amsterdam, wo er mit den Arbeiten von Jan van Huysum in Kontakt kam. Jan van Huysum war damals schon berühmt. Der Niederländer hatte zunächst als Landschaftsmaler künstlerische Meriten eingeheimst und spezialisierte sich erst im fortgeschrittenen Alter auf Stillleben mit Blumen und Früchten. Seine detaillierte Malweise galt bereits damals als bahnbrechend und innovativ. Im Gegensatz zur bis dato üblichen Malweise auf einem dunklen Hintergrund inszenierte Jan van Huysum seine üppigen Motive auf einem hellen Untergrund. Jan van Huysums Bilder verkauften sich schon zu Lebzeiten gut. Er hinterließ seiner Ehefrau bei seinem Tod ein beträchtliches Vermögen. Vincent Van Gogh wäre vor Neid erblasst. Er war aber auch kein Gefälligkeitsmaler.
Unterwegs zum eigentlichen Ziel
Im Jahr 1782 reiste Pierre-Joseph Redouté weiter nach Paris. Seine botanischen Studien standen auf der einen Seite. Sie stellten sein hauptsächliches Interesse für diese Reise dar. Auf der anderen Seite musste der junge Künstler aber von etwas leben. Daher verdingte er sich zusammen mit seinem Bruder als Bühnenmaler am Théâtre italien de Paris und arbeitete nebenbei als Dekorateur. Dieses Metier hatte er oft genug bei seinem Vater studiert. Doch sein eigentliches Ziel verlor der junge Pierre-Joseph Redouté nie aus den Augen. Im königlichen Jardin du Roi – der heute als Jardin des Plantes im Pariser Naturkundemuseum bekannt ist – studierte er die Bilder aller Blumenmaler, die er vor die Augen bekam. Er kopierte sie übungshalber und zeichnete Detailskizzen, um sich in der Blumenmalerei zu perfektionieren. Seine intensive Aufmerksamkeit und sein Interesse an diesem Metier blieben nicht lange unbemerkt. Der junge Pierre-Joseph Redouté beteiligte sich nämlich bald mit eigenen Bildern und Zeichnungen an einem zweibändigen Werk über Pflanzen. Dieses hatte der malende Amateurbotaniker Charles Louis L’Héritier de Brutelle initiiert.
Endlich angekommen und vielseitig gefördert
Bald hatte Pierre-Joseph Redouté zwei selbst künstlerisch tätige Förderer. Einen fand er in dem damals schon recht bekannten holländischen Maler Gerard van Spaendonck. Dieser war seinerzeit als Miniaturmaler am Hof von König Louis XVI. tätig. Er arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 1822 als einfacher Zeichenlehrer in der Pariser Gallerie Buffon, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Einer seiner Schüler wurde der junge Pierre-Joseph Redouté. Gerard van Spaendonck malte seinerzeit zahlreiche Blumenmotive. Er erhielt 1780 eine Professur für Blumenmalerei vom Jardin des Plantes und wurde kurze Zeit später zum Mitglied der Académie des Beaux-arts gewählt. Viele der botanischen Tafeln, die Gerard van Spaendonck damals in Öl und Wasserfarben anlegte, wurden im berühmten Vélins du Roi, einer Sammlung botanischer Kunst, die vornehmlich mit Wasserfarben ausgeführt war, veröffentlicht. Das Werk wurde der französischen Krone zugeeignet. Zwischen 1799 und 1801 veröffentlichte Spaendonck weitere 24 botanische Arbeiten unter dem Titel Fleurs Dessinees d’apres Nature. Das Werk wurde zum Standard-Lehr- und Anschauungsmaterial für junge Künstler, die denselben Weg einschlagen wollten. Bis heute wird dieses Werk Spaendoncks als botanisches Kunstwerk sehr wertgeschätzt. Einen besseren Lehrer und Förderer für seine Kunst hätte der junge Pierre-Joseph Redouté sich kaum wünschen können.
Der zweite Förderer tauchte in Form des eben schon erwähnten Malers und Amateur-Botanikers Charles Louis L’Héritier de Brutelle in Pierre-Joseph Redoutés Leben auf. Der Jurist interessierte sich zeitlebens für die Botanik. Er machte sie zu seinem künstlerischen und wissenschaftlichen Hobby. Wie bedeutend er als Hobby-Botaniker war, zeigt ein Malvengewächs, das ihm zu Ehren Heritiera benannt wurde. Der damalige französische König ernannte den Hobby-Botaniker bald zum Verwalter seiner Forstbehörde. Später war Charles Louis L’Héritier de Brutelle botanischer Mitarbeiter an der „Académie Royale des Sciences“, die 1795 vom französischen Nationalkonvent geschlossen wurde. Sie stand danach als Neugründung unter der Schirmherrschaft des Instituts de France. Auch hier wurde Charles Louis L’Héritier de Brutelle als Mitglied aufgenommen. Er war in der Abteilung für Botanik und Biophysik tätig. Charles Louis L’Héritier de Brutelle war ein leidenschaftlicher Sammler von Pflanzen. Diese trocknete, Presste, katalogisierte und ordnete er akkurat, wie man in seinem Nachlass feststellen konnte. Dass Charles Louis L’Héritier de Brutelle innerhalb der Biologie und der Botanik wenig wahrgenommen wurde, weil ihm die wissenschaftliche Ausbildung fehlte, wurde später durch die Anerkennung auf anderen Gebieten wettgemacht.
Rosa Bifera Macrocarpa von Pierre-Joseph Redouté entstand im Jahr 1811 und ist heute im Muséum National d’Histoire Naturelle in Paris zu sehen. /// Foto: Web Gallery of Art
Wohlwollende Anerkennung vom Hofe
Dass die Blumenaquarelle und Skizzen von Pierre-Joseph Redouté sogar die Gnade von Königin Marie Antoinette oder Kaiserin Joséphine fanden, ist eine besondere Note in seiner künstlerischen Karriere. Die Kunst der Blumenmalerei brachte Pierre-Joseph Redouté als Lehrer selbst diesen beiden Königinnen bei. Auch die beiden Ehefrauen Napoleons erlernten bei ihm das Malen botanischer Motive. Die Aquarellmalerei war damals eine gängige Beschäftigung, der bevorzugt die Frauen aus höheren Ständen nachgingen. Redouté wurde im Jahr 1805 von Kaiserin Josephine zum höfischen Blumenmaler ernannt. Die Anerkennung bei Hofe stellte zweifellos eine hohe Ehre für Pierre-Joseph Redouté dar. Von dieser allein konnte man als Maler oder Komponist aber meist nicht leben. Sein tägliches Brot verdingte sich der Künstler deshalb bis zu seinem Tod als Nachfolger von Gerard van Spaendonck. Sein Arbeitsplatz als einfacher Zeichenlehrer war der große Saal in der Gallerie Buffon.
Allerdings waren hochbegabte Künstler schon immer beim Hofe willkommen. Sie wurden bei Gefallen und Sympathie kräftig gefördert. Das schuf allerdings oft auch ein Abhängigkeitsverhältnis, das die Zahl und Richtung der Arbeiten beeinflusste. Inwieweit es die Kunst von Pierre-Joseph Redouté beeinflusste – oder inwieweit er selbst die damalige Kunst beeinflusst hat – wird im Folgenden geklärt. Fakt ist, dass Pierre-Joseph Redouté ab 1790 als einer der gefragtesten Blumenmaler in Paris bekannt war. Dem Künstler kam bei seiner Kunst sehr zu Hilfe, dass er seine Blumentafeln als Buch veröffentlichen konnte. Das erhöhte seinen Bekanntheitsgrad auch jenseits des Hofes enorm, zumal Pierre-Joseph Redouté durch seine spezifische Malweise schon die damaligen technischen Möglichkeiten des Mehrfarbdrucks für sich nutzen konnte.
Blumen als künstlerisches Thema
Bei seinem Tod hinterließ Pierre-Joseph Redouté ein umfangreiches Werk, das aus Hunderten von Blumentafel bestand. Diese waren in botanische Serien geordnet. Zu seinen wichtigsten künstlerischen Themen gehörte die Darstellung von Lilien oder Rosen. Der Künstler veröffentlichte seine Blumentafeln nach und nach in Buchform. Allein seine Lilientafeln füllen acht Bände. Sie umfassen insgesamt 603 Aquarelle von verschiedenen Lilien. Die Bücher von Pierre-Joseph Redouté wurden im Zeitraum von 1802 bis 1816 einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Den Rosen widmete der Künstler drei Bände, die zwischen 1817 und 1824 publiziert wurden. Die Bände enthalten insgesamt 170 Tafeln mit Rosenaquarellen. Anhand dieses Nachlasses übersieht man oft, dass der junge Künstler sich zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn vor allem mit religiösen Fresken befasst hatte. Erst die Kunst von Jan van Huysum brachte ihn zu seinem eigentlichen Metier. Schon seine frühen Blumenbilder in Wasserfarben brachten Pierre-Joseph Redouté die Aufmerksamkeit führender Botaniker der damaligen Zeit ein.
Die Inspiration zu seinen vielen Rosenbildern erhielt Pierre-Joseph Redouté durch den damit reich bestückten Prachtgarten der Königin, Josephine Bonaparte. Ihr Garten lag beim „Château Malmaison“. Ab 1804 wurde hier ein großer Rosengarten angelegt. Dieser umfasste am Ende alle damals bekannten Rosenarten. Er wurde während der Arbeit an seinen Rosenbildern zu einem Lieblingsort für Pierre-Joseph Redouté. Dieser arbeitete seinerzeit mit dem Botaniker Claude-Antoine Thory zusammen, um einen ursprünglich als wissenschaftliches Werk angelegten Band mit dem Titel „Les Roses“ herauszugeben. Doch statt nur die Wissenschaft mit seinen Blumentafeln zu bereichern, wurde der Band bald ein begehrtes Sammlerobjekt unter Kunst- und Pflanzenliebhabern. Die zahlreichen Betrachter waren von Redoutés filigraner Art der Darstellung begeistert. Das Buch und seine Nachfolgebände waren bald nach ihrem Erscheinen ausverkauft. Leider verbrannten die Originale dafür bei einem Feuer, das in der Bibliothek des Louvre ausbrach. Die Drucke der künstlerischen Originale von Pierre-Joseph Redouté wurden jedoch vielfach neu aufgelegt. Ihre stille Schönheit überrascht auch heute noch, ebenso wie der Detailreichtum. Noch heute erfreut sich die Kunst von Pierre-Joseph Redouté hoher Beliebtheit – bei Botanikern sowie bei Kunst-, Rosen- oder Lilien-Liebhabern.